Alexei Jelissejewitsch Krutschonych: Phonetik des Theaters

German

Übersetzt, eingeleitet und kommentiert von Valeri Scherstjanoi.

1. Auflage

978-3-9813470-5-0

Paperback: 19x12

11 Euro (D)

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„Die Phonetik des Theaters“ fundiert das Konzept der futuristischen Kunstsprache Sa-um theoretisch. Gleichzeitig versteht sich der Text als Handbuch und Beispielsammlung für den Sa-um Praktiker. Theater meint hier nicht die bürgerliche Institution sondern jede Form des öffentlichen Raumes. Übersetzt, kommentiert und eingeleitet wurde der Text von Valeri Scherstjanoi dem „letzte(n) Futurist(en)“ (Michael Lentz)

 „Der ganze Futurismus wäre ein unnötiges Unternehmen, wäre er nicht zur sa-umnischen Sprache gekommen ... Die Gedichte sollen nicht den Frauen ähneln, sondern einer fressenden Säge. Das ist sie, die Verpflichtung, die der erste sa-umnische Dichter Krutschonych auf sich nahm ... Statt einer erschöpften Dichtung der Sinnesassoziationen wird hier eine Phono - Logik angeboten, unerschütterlich wie ein Espenpfahl ... Denn der Unsinn ist der einzige Hebel der Schönheit, der Feuerhaken des Schöpfertums ... Nur der Unsinn gibt der Zukunft den Inhalt“

Igor Terentjew

„Es ging ein Gespenst herum in Europa, zumindest hab ich das lange Jahre so empfunden. Es war das Gespenst des Futurismus. Und in meiner Jugend, also die Achtzigerjahre des vergangenen Jahrhunderts hindurch, wollte ich Futurist sein wie in meiner Kindheit Indianer ... Später, also heute mehr oder weniger, sollte es sich als Vorteil herausstellen, wenigstens die kyrillische Schrift entziffern zu können. Es ist ein herrliches Gefühl, sa-umnische Texte wie das „Gedröhn des Kaukasus“ im Original lesen zu können. Allerdings muss man auch sagen, dass der Weg Scherstjanois, sie in Lautschrift zu übersetzen, auch einiges für sich hat und dem Leser, der in der Schule nicht mit kyrillischen Schriftzeichen gequält wurde, einen Weg in die Texte öffnet ... Aber zunächst geisterte der russische Futurismus immer noch als Gespenst durch meinen Kopf ... Im letzten Jahr dann erschien im jungen aber jetzt schon verdienstvollen Verlag Reinecke & Voß Krutschonychs „Phonetik des Theaters“. Valeri Scherstjanoi, der unverwüstlich Lautpoet hat sie besorgt und ausgestattet. Das kam für mich einer Befreiung gleich. Endlich hatte das Gespenst einen Körper bekommen. Dieses Buch gibt nun, zwar keinen erschöpfenden, aber einen instruktiven Einblick in das Wortwalzwerk des Sa'um. Und das Buch hat etwas erfrischend Zeitgemäßes“ www.poetenladen.de/jan-kuhlbrodt-alexej-krutschonych-valeri-scherstjanoi.htm

„nicht ein schulmäßig erfassbares Russisch sondern die Sprache der Zukunft: „Nur der Unsinn gibt der Zukunft den Inhalt“: Damit sind wir wiederum den viktorianischen Unsinndichtern wie Lewis Caroll nahe ...“ Elmar Schenkel Inklings Jahrbuch 29 (2011)

 Hörprobe Scherstjanoi spricht Sa-um (live auf der Buchmesse Leipzig 2011) http://lyrikzeitung.files.wordpress.com/2011/08/scherst-g-diekehle.mp3

 

"Sein Konzept einer neuen, freien Sprache, die es ermöglicht, sich unumschränkt auszudrücken, war ein Gegenentwurf zu der herkömmlichen Sprache, die in Abstraktion, Rationalität und Tradition verharrte. Deshalb ist es nicht erstaunlich, daß Krutschonych von »Vergangenheitlern« und anderen Repräsentanten des konservativen Kunstbetriebes als »komische Figur, die Gereiztheit auslöst« angesehen wurde ... Der soziale Dialekt Sa-um war die Ausrufung einer neuen Sprachpraxis. Nicht die Bedeutung der Worte, allein ihr Lautbild, der Klang zählte ... Die Phonetik des Sa-umnischen ist keine Laut nachahmende; sie baut auf eigenständige und unerwartete Lautverbindungen." Kay Pohl in junge Welt www.jungewelt.de/2011/09-06/047.php

Joachim Büthe meint anlässlich dieses Buches über den Herausgeber: "Der Futurismus war für Scherstjanoi von Anfang an ein Lebensmittel und ein Mittel des Widerstands ... Er ist ein Glücksfall, der nicht nur Gegenwart und Vergangenheit zusammenbindet, sondern auch zwei Kulturen ..." Ein größerer Textauszug der Sendung hier: www.dradio.de/dlf/sendungen/buechermarkt/1535646/

In einem Bericht zur Leipziger Buchmesse der Literatursendung Plattform auf Radio 98.1 15.04. wurde besonders auf den durchaus praktischen Aspekt des Sa-um Projektes eingegangen. Unter anderem heißt es:

„Die andere bedeutende Entdeckung dieses Verlages ist eine Programmschrift eines der Pioniere des russischen Futurismus, der in Moskau und St. Petersburg vor und während des 1. Weltkrieges in neue Horizonte vorstieß …

Das war durchaus nicht nur eine ästhetische Spielerei. Mit diesen Texten konnte man damals zum Beispiel Stummfilme klanglich untermalen. Der Tonfilm war ja noch nicht erfunden. Die Kunst der Avantgarde wollte die Grenzen zwischen Kunst und Leben niederreißen.

In diesem Sinn ist der Titel des Buches zu verstehen: „Phonetik des Theaters“. In unserer ästhetischen Sicht der postavantgardistischen Zeit ist das mißverständlich. Theater ist hier nicht der Kunsttempel, sondern der Marktplatz, die Straße und der Kinosaal. Es ging um die Theorie für eine ins Leben eingreifende Kunstform.“

Mit Blick auf die Premiere des Buches heißt es, Valeri Scherstjanoi trug „Lautgedichte von Alexej Krutschonych als wahre Klangkonzerte vor, die auch den skeptischen Zuhörer überzeugten“

 

Ralf Julkes Rezension für die L-Iz vom 19.5. betont im Gegensatz dazu das uneinlösbar utopische Moment dieses Kunstsprachprojektes. Die angestrebte universell verständliche Weltsprache der Poesie sei auch den Futuristen nicht geglückt. Er ordnet den Text in den historischen Kontext ein und streicht heraus: „Die Experimente mit der Sprache gehören zum Grundbestand des Futurismus. Und der 1886 geborene Alexej Krutschonych hat dafür die radikalsten Ansätze entwickelt.“ Die ganze Rezension:

http://www.l-iz.de/Bildung/B%C3%BCcher/2011/05/Alexej-Krutschonych-Phonetik-des-Theaters.html